Generative KI und Urheberrecht – der aktuelle juristische Stand
2. Juli 2025
Obwohl sie erst seit kurzer Zeit auf dem Markt sind, sind Large-Language-Modelle aus dem Arbeitsalltag vieler Branchen kaum noch wegzudenken. Auch zahlreiche Investor*innen haben längst ein Auge auf die generativen Modelle geworfen – schließlich gehört die Technologie zu den disruptivsten und vielversprechendsten Innovationen der Moderne. Dennoch hängt ein kaum zu übersehendes Damoklesschwert über dem frisch gekrönten Fortschrittschampion: die urheberrechtlichen Problematiken, die manchem KI-Hersteller in Zukunft zum Verhängnis werden könnten.
Das zentrale Problem
Der Grund liegt in der Funktionsweise generativer KI: Large-Language-Modelle und Bildgeneratoren wie ChatGPT oder Stable Diffusion werden mit riesigen Datenmengen trainiert. Grundsätzlich ist daran nichts auszusetzen – allerdings ist es ein offenes Geheimnis, dass KI-Hersteller wie OpenAI dabei kaum Rücksicht darauf nehmen, ob diese Daten urheberrechtlich geschützt sind. Der ehemalige (und mittlerweile verstorbene) OpenAI-Mitarbeiter Suchir Balaji, der am Training der Modelle beteiligt war, berichtete in der New York Times, dass er nicht überprüft habe, ob die verwendeten Daten urheberrechtlich geschützt gewesen seien. Seinen Angaben zufolge tauchen viele dieser Inhalte im KI-Output erneut auf. Ed Newton-Rex, ehemaliger Vizepräsident des Londoner Start-ups Stability AI, äußerte ebenfalls Zweifel an der Fairness, KI-Modelle mit geschütztem Material zu trainieren.
In der EU gilt für kommerzielle Unternehmen, die KI-Modelle trainieren, das sogenannte „Opt-Out“-Prinzip: Rechteinhaber*innen können explizit erklären, dass ihre Inhalte nicht für das Training verwendet werden dürfen. In den USA hingegen gilt das deutlich liberalere Fair-Use-Prinzip, das unter bestimmten Voraussetzungen die Nutzung geschützter Werke erlaubt – etwa, wenn die Nutzung transformativ ist und ein neues Werk entsteht. Ob diese Bedingungen bei jedem Output generativer KI erfüllt sind, ist allerdings fraglich.
Eine aktuelle Studie der Universitäten Stanford, Cornell und West Virginia zeigt: Metas Sprachmodell „LLaMA 3.1 70B“ konnte ganze Textauszüge aus Bestsellern wie Harry Potter und der Stein der Weisen reproduzieren. In über der Hälfte der Fälle wurde ein 50-Token-langer Abschnitt korrekt wiedergegeben – das entspricht etwa 37–40 deutschen Wörtern. Das legt nahe, dass KI-Modelle nicht nur Muster erkennen, wie es Hersteller häufig darstellen, sondern sich an konkrete Textstellen erinnern und sie wiedergeben können.
Aktuelle Gerichtsurteile
Ob das Training solcher KI-Modelle mit urheberrechtlich geschützten Inhalten rechtlich zulässig ist, wird aktuell vor Gericht ausgefochten. Bislang konnten einige KI-Unternehmen juristische Erfolge verbuchen: Meta gewann einen Urheberrechtsstreit gegen 13 Autor*innen, deren Werke ohne Genehmigung verwendet wurden. Der zuständige Richter Vince Chhabria stellte zwar infrage, ob KI-Training als Fair Use gelten könne, wenn es potenziell unendlich viele konkurrierende Inhalte erzeugt. Da aber kein finanzieller Schaden für die Autor*innen nachgewiesen werden konnte, wurde die Klage abgewiesen. In einem weiteren Fall urteilte Richter William Alsup am US-Bezirksgericht in Kalifornien, dass die Nutzung geschützter Inhalte durch das Unternehmen Anthropic als Fair Use gelte.
Weitere Verfahren laufen: The New York Times hat OpenAI verklagt, Disney und Universal gehen gegen Midjourney vor, da dieses Modell urheberrechtlich geschützte Charaktere wie Darth Vader generieren könne. Auch Getty Images klagte in Großbritannien gegen Stability AI – allerdings wurde der Vorwurf, das Unternehmen habe Stable Diffusion mit Bildern aus Gettys Bibliothek trainiert, kürzlich fallengelassen.
Aktuell deutet alles darauf hin, dass die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte für KI-Training – in den USA und unter Beachtung der Opt-Out-Regelung auch in der EU – weiterhin zulässig bleibt. Eine gegenteilige Rechtsprechung hätte erhebliche Auswirkungen auf die KI-Angebote von OpenAI, Meta oder Google – und somit auch auf Nutzer*innen in Deutschland. Im globalen Wettbewerb könnte eine strengere Auslegung zudem zu einem Rückstand der USA gegenüber China führen.
Darauf sollten Unternehmen achten
Auch wenn Tech-Konzerne bisher einige Erfolge erzielen konnten, bleiben viele rechtliche Fragen offen – insbesondere für Unternehmen, die KI-generierte Inhalte verwenden möchten. Deswegen sollten diese Folgendes beachten:
- In Deutschland genießen nach § 2 Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes nur Werke, die persönliche geistige Schöpfungen darstellen, den Schutz des Urheberrechts. Rein KI-generierte Bilder unterliegen deshalb in der Regel nicht dem urheberrechtlichen Schutz. Eine Ausnahme gilt für Werke, an deren Erstellung sowohl KI als auch ein Mensch beteiligt war – allerdings ist unklar, wie hoch der menschliche Anteil sein muss, um als schutzwürdig zu gelten.
- KI-generierte Inhalte sollten vor ihrer Nutzung gründlich geprüft werden. Weisen sie zu große Ähnlichkeit mit bestehenden urheberrechtlich geschützten Werken auf, drohen Abmahnungen. Auch bei der Darstellung von Personen ist Vorsicht geboten: Zu starke Ähnlichkeit mit real existierenden Menschen kann Persönlichkeitsrechte verletzen.
- Die generierten Inhalte müssen außerdem geltendes Recht einhalten. So sollte etwa eine per KI erstellte Stellenausschreibung auf Konformität mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) überprüft werden.
- Bei der kommerziellen Nutzung von KI-generierten Inhalten sind stets die Lizenzbedingungen der jeweiligen Plattform zu beachten. Die meisten Anbieter erlauben kommerzielle Nutzung im Rahmen eines Abonnements.
- Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Anbieter vorsehen, die Nutzungsrechte an den erstellten Inhalten an die Nutzer*innen zu übertragen. Da KI-generierte Inhalte rechtlich gesehen nicht eindeutig als urheberrechtlich geschützt gelten, kann eine solche Klausel unzulässig sein – und im schlimmsten Fall sogar Schadensersatzansprüche gegen die Anbieter nach sich ziehen.
Fazit
Eines ist klar: Die Debatte um Urheberrecht und Fair Use wird die Zukunft generativer KI maßgeblich prägen – wenn nicht rechtlich, dann zumindest ethisch. Unternehmen und Kreativschaffende sollten Entwicklungen in diesem Bereich aufmerksam verfolgen und ihre Nutzung entsprechend verantwortungsvoll gestalten.